Dana Ullman, ein bekannter Autor und Verleger homöopathischer Bücher in den USA, traf vor einigen Jahren zufällig Jimmy Wales, den Mitbegründer von Wikipedia, in Vancouver auf der Straße. Er nutzte die Gelegenheit und sprach ihn auf Ungereimtheiten im englischsprachigen Wikipedia-Artikel zur Homöopathie an. Wales bat ihn, seine Unzufriedenheit schriftlich darzulegen. Das hat Ullman in beeindruckender Art und Weise in der Onlinezeitung „The Huffington Post“.

Ullman zitiert zunächst den ersten Abschnitt der englischsprachigen Wikipedia-Seite, in dem die Homöopathie definiert wird, und untersucht diesen bezüglich der Argumentationslinie und der zitierten Referenzen. Die englischsprachige Wikipedia Seite unterscheidet sich bezüglich der Einseitigkeit der „Anti-Homöopathie“ Haltung nicht von der deutschen Seite, auch hier werden „Pro-Homöopathie“ Autoren nicht zugelassen oder der ganze Artikel ist für Ergänzungen blockiert.

Im Artikel wird Homöopathie als „Pseudowissenschaft“ bezeichnet, deren Arzneien nicht wirksamer seien als Placebos. Ullman weist in der Folge auf einige klinische Studien hin, die in anerkannten medizinischen Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren veröffentlicht wurden, und die eine über Placebo hinausgehende Wirksamkeit aufzeigen konnten. Wie kann eine „Pseudowissenschaft“ solche Evidenz kreieren, fragt sich Ullman zu Recht. Ironischerweise verweisen die Wikipedia-Autoren auf nicht annähernd so gute Quellen. Einzig die viel zitierte Metaanalyse von Shang et al., die das Ende der Homöopathie verkünden wollte, ist in einem hochrangigen medizinischen Journal (Lancet) erschienen. Die statistische Herangehensweise der Autoren wurde von Lüdtke und Rutten eindrucksvoll kritisiert und taugt somit nicht mehr als Totschlag-Argument gegen die Homöopathie.
Weiter zitiert Ullman den dritten Abschnitt aus Wikipedia: Hier geht es wieder um klinische Evidenz und um das zugrundeliegende Modell für die Wirkung homöopathischer Arzneien, das Wikipedia als „nicht plausibel“ und „physikalisch unmöglich“ bezeichnet. Keine einzige der von den Wikipedia-Autoren angegebenen Referenzen stammt aus einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift, mitunter sind es sogar nur Zitate von Webseiten. Käme jemand daher und wollte die Homöopathie mit Zitaten aus Webseiten und mit Aufsätzen, die in nicht wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind, belegen, so würde er – so Ullman – von den Wikipedia-Autoren berechtigterweise ausgelacht werden.
Im Zusammenhang mit der Plausibilität geht Ullman auch ausführlich auf Aspekte der Nanomedizin und der Idee eines Wassergedächtnisses ein sowie deren Verbindung zur homöopathischen Arzneiherstellung und Wirkung. Besonders erwähnt er Untersuchungen des französischen Nobelpreisträgers Luc Montagnier, der erst kürzlich Belege für ein „Gedächtnis des Wassers“ veröffentlicht hatte.

Ullman moniert, dass diese Ideen keinerlei Erwähnung im Wikipedia-Artikel finden, die vielbeschworene neutrale Objektivität von Wikipedia sei hier in weiter Ferne. Es läge ein klarer Bias vor, die langjährigen Wikipedia-Autoren mit entsprechender Macht legten ihre private Sicht der Dinge vor, nicht die aktuelle wissenschaftliche Sachlage. In diesem Zusammenhang zitiert Ullman noch einen weiteren Nobelpreisträger, den emeritierten Cambridge Professor Brian Josephson, der von einem „pathologischen Unglauben“ spricht, im Sinne von „selbst wenn es wahr wäre, würde ich es nicht glauben“.

Spannend ist der Vorschlag, den Ullman am Ende seiner Analyse macht: Da der Wikipedia-Artikel so einseitig gegen die Homöopathie Stellung bezieht, sei es kaum möglich, daraus einen ausgewogenen Artikel zu schreiben. Deshalb schlägt er vor, den Artikel zu ergänzen: Neben dem bisherigen „skeptischen“ Blickwinkel sollte es einen weiteren aus homöopathischer Sicht geschriebenen geben.

Mitunterzeichnet wurde Ullmans Beitrag von Michael Frass, MD, Professor of Medicine, Medical University of Vienna (Austria); Paolo Bellavite, MD, Professor, Università of Verona (Italy), Department of Pathology and Diagnostics; Paolo Roberti di Sarsina, MD, Observatory and Methods for Health, University of Milano-Bicocca, Italy, Charity for Person Centered Medicine-Moral Entity, Bologna, Italy, Expert for Non-Conventional Medicine (2006-2013), High Council for Health, Ministry of Health, Italy; Dr Clare Relton, Senior Research Fellow (Public Health), School of Health & Related Research, University of Sheffield (UK); Stephan Baumgartner, PhD, Institute of Complementary Medicine, University of Bern, Switzerland, Institute of Integrative Medicine, University of Witten-Herdecke, Germany; Lex Rutten MD, homeopathic physician, independent researcher.

Ullman weist eindrucksvoll nach, dass der englischsprachige Homöopathie-Artikel in Wikipedia mit schwachen Referenzen gegen die Homöopathie argumentiert und gleichzeitig eine Vielzahl starker Quellen, die für eine positive Wirkung der Homöopathie sprechen, missachtet. Der Artikel ist somit unausgewogen, und er vermittelt keinen neutralen Blickwinkel auf die Homöopathie – was von einer Enzyklopädie zu erwarten wäre. Für den deutschsprachigen Artikel zur Homöopathie in Wikipedia gilt leider das gleiche. Sollte die Wikipedia-Redaktion überhaupt antworten, darf man sich freilich nicht allzu viel davon erhoffen. Dafür scheint die Sache zu festgefahren zu sein.