Grundlagenforschung

Grundlagenforschung

Die Anfänge

Mit zunehmenden chemischen Kenntnissen (Loschmidt-Konstante, Avogadro-Zahl) kam ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Frage auf, ob in homöopathischen Hochpotenzen noch Moleküle der Ausgangssubstanz vorhanden seien.

Bereits ab Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Experimente mit Hochpotenzen durchgeführt [Übersicht bei Wurmser 1969]. Zunächst erfolgten Versuche mit Chromatographie und Kapillarspektren, die in unterschiedlichen Untersuchungen bis zu einer Potenz um die D8 das Vorhandensein der Ausgangssubstanz nachweisen konnten.

Einen neuen Impuls gab es durch die Technik, Elemente künstlich radioaktiv zu machen. Hiermit konnte in der homöopathischen Arznei Bromum bis zu einer D18, die mithilfe der Mehrglasmethode hergestellt worden war, der Ausgangsstoff nachgewiesen werden. Bei mit der Einglasmethode hergestellten Potenzen zeigte sich sogar noch bei einer C1000 von Phosphor ein Ausschlag auf dem Geigerzähler.

Der vermutete physikalische Faktor und „Imprint-Theorien“

Die Vermutung, dass es einen physikalischen Faktor geben müsse, von dem eine Wirkung der Hochpotenzen abgeleitet werden könnte, führte ab Mitte des 20. Jahrhunderts neben Experimenten auch zur Entwicklung von Modellen, die mögliche physikalische und chemische Prozesse bei der Herstellung von Hochpotenzen zu erklären suchten [ausführliche Übersicht bei Walach 1986].

Barnard und Stephenson [Barnard 1967] machten mit ihrer „Imprint-Theorie“ den Anfang und sahen eine Erklärung für die Wirksamkeit in strukturellen Veränderungen des Lösungsmittels.

Basis für ihre Überlegungen waren Untersuchungen von Smith und Boericke, die bei einer magnetischen Spektrogrammanalyse Unterschiede im OH-Anteil von potenzierter Sulfur-Lösung und unpotenzierter Kontrolle fanden: Der Arzneistoff gebe seine Information an das Lösungsmittel ab, die Spezifität entstehe durch eine bestimmte, vom jeweiligen Stoff abhängige, dreidimensionale Anordnung der Wasserstoffbrücken zu Polymeren – wie in einer Art negativer Schablone. Dabei wurde angenommen, dass durch die Potenzierung Energie zugeführt wird, dann die Polymere bis zu einer kritischen Größe wachsen, auseinanderbrechen und sich selber wieder replizieren. Eine Hochpotenz hätte dann mehr Polymere und damit mehr Information.

In den folgenden Jahrzehnten haben verschiedene Forscher diese „Imprint-Theorie“ mit unterschiedlichen Vorstellungen weiterentwickelt: Kumar und Jussal legen den Schwerpunkt der Theorie auf eine bestimmte Anordnung von Dipolen, Sharma auf die von ihm so benannte „Resonante Promotion“, in der es um Wechselwirkungen der Elektronen in der äußersten Elektronenhülle geht, Resch und Gutmann auf das Donor-Akzeptor-Konzept von Lösungsmittelvorgängen, Popp auch die Oszillationen der Wasserstoffbrücken.

Thermolumineszenz und „Wassercluster“

Eine experimentelle Arbeit, die die „Imprint-Theorie“ unterstützte, waren die Untersuchungen des französischen Physikers Rey in Lausanne, der das Verfahren der Thermolumineszenz nutzte [Rey 2002]. Er wies darauf hin, dass Wasser durch „Cluster“ von Wasserstoffbrücken ein strukturiertes Medium darstellt, das mit einer spezifischen Veränderung dieser „Cluster“ auf eine zu lösende Substanz reagiert. Wenn sich Wasser in gefrorenem Zustand befindet, können mittels Thermolumineszenz charakteristische Strukturen („defekte Punkte“) im kristallinen Netzwerk spezifisch nachgewiesen werden. Dafür werden Lösungen zunächst auf minus 196 Grad Celsius abgekühlt, durch Bestrahlung aktiviert und dann bis zum Siedepunkt kontrolliert wieder aufgewärmt. Die dabei abgegebene Strahlung zeigte bei Untersuchungen von hochverdünnten, potenzierten Lösungen von Natrium- und Lithiumchlorid in Intensität und Spektrum signifikante Unterschiede zum nicht potenzierten Lösungsmittel – für Rey ein Hinweis, dass auch in Hochpotenzen durch den Prozess der Potenzierung in der Lösung für den ursprünglich gelösten Stoff spezifische Wasserbrückenstrukturen entstehen.

Van Wijk [van Wijk 2006-1] hat Teile dieses Experiments mit drei Variationen bezüglich der Zeitabstände zwischen Herstellung (He.) und Experiment (Ex.) sowie Bestrahlung (Be.) und Thermolumineszenz-Messung (TM) repliziert. Eine tendenzieller, aber nicht signifikanter Unterschied zeigte sich zwischen einer potenzierten Lithiumchlorid(LiCl)-C15-Potenz (Lösungsmittel Deuteriumoxid: D2O) und einer potenzierten D2O-C15-Kontrolllösung (p=0,059) bei kurzem dreiwöchigem Abstand zwischen He. und Ex. und kurzem einwöchigen Abstand zwischen Be. und TM. Bei beiden Messungen mit längeren Abständen war zwischen diesen beiden Substanzen kein Unterschied nachweisbar. Ein deutlicher Unterschied (p<0,0001) zeigte sich zwischen potenziertem C15-D2O und unpotenziertem D2O bei langen Abständen von 12 Wochen zwischen He. und Ex. und 3 Wochen zwischen Be. und TM, aber nicht bei den kurzen Abständen.

Eine mögliche Erklärung der Ergebnisse ist laut van Wijk, dass durch den Potenzierungsvorgang die physikalische Struktur von D2O so stabilisiert wird, dass die Bestrahlungsenergie länger gespeichert werden kann, was zum Unterschied zwischen potenziertem und unpotenziertem D2O führt. Lithiumchlorid soll die Wasserstoffbrückenbindung unterdrücken können, was für eine begrenzte Zeit den zuvor beschriebenen Stabilisierungsprozess reduzieren könnte und zum Unterschied zwischen potenziertem LiCl und potenzierter Kontrolle geführt haben könnte. Van Wijk weist aber auch darauf hin, dass Erklärungen für das beschriebene Phänomen vage bleiben und weitere Untersuchungen zur Absicherung der Ergebnisse nötig sind. Er diskutiert auch die Untersuchungen von Cowan [Cowan 2005], welche zeigten, dass die netzwerkartigen Strukturen von Wasserstoffbrücken in Wasser nur Bruchteile einer Sekunde bestehen (10-15 Sekunden), was gegen die beschriebenen möglichen Erklärungen spreche.

Der systematische Review von Witt

Witt [Witt 2000] hat eine systematische Analyse von 22 Veröffentlichungen durchgeführt, die im Zeitraum von 1951 bis 1997 erschienen waren. Es handelte sich um physikalische Experimente mit homöopathischen Arzneien, die ein weites experimentelles Spektrum wie Oberflächenspannung, Kristallisation, Dielektrische Eigenschaften, Absorptionsspektren, Raman-Laser-Spektren und Kernresonanzspektren anwandten, um Unterschiede zwischen einer homöopathischen Hochpotenz und einer Kontrolllösung nachzuweisen.

In eigenen Experimenten mit einem REDEM-Gerät (Resonanzdämpfungs- und Entdämpfungsmessgerät) konnte Witt zeigen, dass es bei Herstellung, Lagerung und experimentellen Verwendung der Arzneien eine Vielzahl von Quellen für Fremdmoleküle gibt, die weder der Arznei noch dem Lösungsmittel angehören. Diese können dann zu falsch positiven Ergebnissen führen. In diesen Versuchsreihen mit dem REDEM-Gerät traten zum Teil reproduzierbare Unterschiede zwischen Hochpotenz und Kontrolllösung auf, wenn Glasgefäße und Wasser als Lösungsmittel verwendet wurden. Bei Verwendung von Polyethylengefäßen und Ethanol waren diese jedoch nicht mehr nachweisbar. Es wurde dabei deutlich, dass einzig eine potenzierte Kontrolllösung der Stufe C1 oder in der gleichen Potenzhöhe wie die zu untersuchende Arznei eine zuverlässige Kontrolle bildet.

Unter Berücksichtigung dieser Daten wurde für die systematische Analyse der Experimente ein Score gebildet. Es zeigte sich, dass von den 22 Veröffentlichungen letztlich nur drei eine ausreichende Methodik aufwiesen, vor allem eine nicht potenzierte Kontrolllösung war der Hauptkritikpunkt. Von diesen zeigten zwei Untersuchungen von Demangeat mithilfe der Kernresonanz-Spektroskopie (ein Verfahren, mit dem Mobilität und Strukturiertheit von Wassermolekülen in Lösungen und Gewebe untersucht werden können) ein positiv Ergebnis [Demangeat 1992, 1997].

Demangeat konnte hierbei signifikante Unterschiede für die Relaxationszeiten von Arzneien (Siliciumdioxid, Mangan, Histamin) und Kontrolllösung (NaCl und Wasser, potenziert und unpotenziert) aufzeigen, mit dem expliziten Resümee, dass er dafür keine Erklärung geben könne. Es werden mehrere mögliche Ursachen, wie z.B. pH-Effekte oder mitgelöster Sauerstoff diskutiert, ohne dass dies jedoch die Ergebnisse ausreichend erklären könnte.

Eine ausführliche Darstellung der komplexen Grundlagen der Kernresonanz-Spektroskopie und der Arbeiten von Demangeat sind bei Weingärtner zu finden [Weingärtner 2002]. Dort werden außerdem zwei Arbeiten von Aabel und Sukul besprochen, die nach 1997 entstanden, jedoch deutliche methodische Schwächen aufwiesen, so dass sie hier nicht ausführlich dargestellt werden.

Hormesis und Hitzeschockproteine

Hormesis ist ein aus der Toxikologie bekannter Vorgang, bei dem geringe Konzentrationen einer Ausgangssubstanz eine stimulierende Wirkung, hohe Dosen aber eine hemmende Wirkung in einem biologischen System ausüben können. Die Reaktion des Organismus ist dosisabhängig: Eine niedrige Dosis führt zu einer stärkeren, eine höhere Dosis zu einer schwächeren Antwort. Ein vergleichbares Phänomen war bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Schulz in Experimenten mit Hefekulturen beschrieben worden (sog. „Arndt-Schulz’sche Regel“).

Aktuelle Forschungsarbeiten der letzten Jahre von Calabrese und Kollegen [Calabrese 2010] weisen auf Parallelen zwischen Hormesis und Homöopathie hin: Ähnlich wie in toxikologischen Experimenten beschrieben, versucht bei der homöopathischen Therapie der Organismus, mit einer Gegenreaktion den Heilungs- bzw. Reparaturprozess zu verstärken.

Van Wijk und Wiegant stießen in ihren Arbeiten über Hitzeschockproteine ebenfalls auf das Phänomen der Hormesis. Darin wurde die Regenerationsfähigkeit von Zellkulturen untersucht, an denen zuvor spezifische Schäden durch Hitzeschock bzw. Zellgifte gesetzt worden waren. Anhand von Messungen der Reperaturproteine wurde unter anderem festgestellt, dass die Überlebensraten der Zellen durch bestimmte Noxen gesteigert werden können, wenn diese den Zellen erneut – dann aber nicht mehr in toxischen Dosen, sondern stark verdünnt – zugesetzt wurden. Hier könnte eine Parallele zum Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie vorliegen [van Wijk 2006-2]. Wichtige Begriffe bei den Experimenten sind Prä- und Postkonditionierung: Übertragen auf die Homöopathie wurde gefolgert, dass der therapeutische Effekt der homöopathischen Behandlung einen speziellen Fall einer postkonditionierten Hormesis darstellen könnte [Calabrese 2010].

Nanotechnologie und Hochpotenzen

2010 wurden von einer indischen Forschergruppe des renommierten Indian Institute of Technology (IIT) verschiedene Hochpotenzen mit Methoden der Nanotechnologie untersucht [Chikramane 2010]. Es handelte sich um sechs metallische homöopathische Arzneien: Aurum metallicum (Gold), Cuprum metallicum (Kupfer), Stannum metallicum (Zinn), Argentum metallicum (Silber), Platinum metallicum (Platin) und Zincum metallicum (Zink). Die Arzneien wurden als Dilution in 90% Ethanol von den bekannten indischen Herstellern SBL und Dr. Wilmar Schwabe India bezogen und lagen in den Potenzstufen C6, C30 und C200 vor.

Dabei konnten mittels Transmissionselektronenmikroskop (TEM) und Feinbereichsbeugung (SAED) Belege für die Existenz der Ausgangssubstanz in Form von Nanopartikeln und deren Aggregaten nachgewiesen werden. Zwischen den einzelnen Potenzstufen gab es bezüglich Form und Größe keine wesentlichen Unterschiede.

Weiterhin konnte mittels eines weiteren Verfahrens (Atomemissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma, ICP-AES) die Konzentration der Ausgangssubstanz gemessen werden: Mit dem überraschenden Ergebnis, das sich ab der Potenzstufe C6 ein Plateau der Konzentration einstellte, dass sich auch bis zur C200 nicht wesentlich änderte. Die Konzentrationen bewegten sich dabei mit deutlich Unterschieden zwischen den untersuchten Arzneien im Bereich von 80 bis 7000 pg/ml.

Bell hat die Untersuchungen von Chikramane zu Nanopartikeln und von Van Wijk zur postkonditionierten Hormesis im ‘Nanoparticle-Cross-Adaption-Sensitization Model’ (NPCAS) mit Forschungserkenntnissen der Stress- und Nanomedizin verbunden. Eine ausführliche Darstellung dieses Modells findet sich im Blog [LINK].

Review zur physikalisch-chemischen Forschung

Eine Arbeitsgruppe um Klein und Kollegen (Institut für Komplementäre und Integrative Medizin, Universität Bern) hat über 200 Arbeiten zur Grundlagenforschung in einem systematischen Review ausgewertet [Klein 2018, Tournier 2019, Tournier 2021]. Dabei ging es darum, alle Experimente zu identifizieren, die spezifische Eigenschaften homöopathischer Arzneien mit physikalischen oder chemischen Techniken messen können. Dazu zählen beispielsweise Messung von UV-Absorption und Lumineszenz, Impedanzmessung, Spektroskopie, Nuclear Magnetic Resonance (NMR), Kalorimetrie u.a.

Ergebnis: 134 Publikationen, die eine ausreichende Qualität aufwiesen, wurden in die Auswertung einbezogen. Insgesamt wurde darin über 203 verschiedene Experimente berichtet. In 72% der Experimente wurden spezifische Eigenschaften homöopathischer Präparate gefunden. Nach einer weiteren Auslese der wissenschaftlich hochwertigsten Arbeiten  (insgesamt 29 Experimente) kam man sogar auf 79%.

Die Autoren schlußfolgern: In 79% in der hochwertigen Experimente wurden spezifische Eigenschaften homöopathischer Arzneien  im Vergleich zu neutralen Kontrollgruppen festgestellt. Allerdings fehlt bisher ein allgemein anerkanntes, theoretisches Modell, dass die beobachteten Phänomene in einen allgemeingültigen Kontext stellen könnte. Die bisher vorhandene Evidenz sollte dazu anspornen, weitere Experimente durchzuführen, um die Wirkungsweise homöopathischer Arzneien noch besser zu erforschen.

Zellregulation und allosterische Interaktionen

Anknüpfend an die Arbeiten zu Hormesis und Hitzeschockproteinen gibt es zahlreiche, weitere Forschungsansätze, die Veränderungen an Zellen durch homöopathische Arzneien untersucht haben. Dazu wurden Reagenzglasversuche (in vitro) mit menschlichen oder tierischen Zellen durchgeführt, darunter Fibroblasten, Osteoblasten, Granulozyten, Krebszellen und anderen Zellarten [Übersicht bei Bellavite 2015]. Hierbei wurde beispielsweise die Funktionen von bestimmten Enzymen oder Rezeptoren der Zellen, die Signalübertragung zwischen den Zellen und deren Interaktion mit bestimmten Arzneimitteln registriert.

Vielversprechende Modelle sind immunologische Reaktionen an menschlichen, basophilen Granulozyten und Stoffwechselreaktionen an neutrophilen Granulozyten, die homöopathisch potenzierten Arzneien ausgesetzt waren. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen zu Veränderungen der Genregulation, beispielsweise an Nervenzellen durch potenziertes Gelsemium sempervirens. Weitere Untersuchungen in diesem Bereich der Epigenetik haben Hoffnungen gestärkt, hierbei ein konkretes Modell der Wirkungsweise homöopathischer Arzneien zu beschreiben: Durch epigenetische Regulation der Genexpression reagieren Zellen im Sinne einer Anpassung auf äußere Reize.

Bellavite und Kollegen (Bellavite 2015) sehen das Ähnlichkeitsprinzip gewissermaßen auf molekularer Ebene abgebildet. Die spezifische Wirkung eines Medikamentes beruht grundsätzlich auf einer aktiven Interaktion mit Zellen oder Molekülen. Nun kommt die Unterscheidung von orthosterischen und allosterischen Medikamenten ins Spiel: Orthosterisch binden Wirkstoffe an ihrer Zielstruktur, z.B. an einem Rezeptor, um diesen zu blockieren. Allosterisch binden Wirkstoffe zwar am selben Molekül, aber an einer anderen Stelle. Dies führt zu Konformitätsänderungen wie Aktivierung oder Inaktivierung der Zielstrukturen und somit einer Modulation der Zellen. Die Arbeitshypothese lautet somit, das homöopathische Arzneien im Sinne einer allosterischen Regulation auf Zellen und Moleküle wirken und somit als spezifische Reize bestimmte Veränderungen im Zellstoffwechsel und der Genregulation bewirken können.

Experimente mit Wasserlinsen

Ein wichtige Beispiel zur Erforschung der Wirksamkeit homöopathischer Hochpotenzen an pflanzenbasierten Modellen ist die Bucklige Wasserlinse, Lemna gibba. Die Wasserlinse gehört zur Familie der Aronstabgewächse und findet sich auf Oberflächen von Gewässsern.

Jäger und Kollegen haben Wasserlinsen unter Laborbedingungen einem Stresstest unterzogen, in dem sie einer exakt definierten Menge Arsen über 2 Tage ausgesetzt wurden [Jäger 2010]. Anschließend wurden 3 homöopathische Präparate zugesetzt: 1. Arsenicum album, 2. eine „Nosode“ (in diesem Falle wurden mit Arsen behandelte Wasserlinsen verwendet und als homöopathische Präparat hergestellt) und 3. Gibberellinsäure. Alle drei Substanzen wurden in insgesamt 9 verschiedenen Potenzstufen (bis C33) den Wasserlinsen zugesetzt. Für die Beurteilung ausschlaggebend war die Beobachtung der Wachstumsrate über die folgenden 6 Tage. Dabei wurden mehrere Testreihen durchgeführt, verschiedene Kontrollgruppen verwendet und alle Experimente verblindet durchgeführt.

Ergebnisse: Die Wachstumraten der Wasserlinsen waren nach der Zufuhr von Arsenicum album wesentlich höher, auch das Zufuhr der „Nosode“ noch deutlich erkennbar. Die Unterschiede zu den Kontrollgruppen waren hochsignifikant. Nach Behandlung mit Gibberellinsäure wurden keine Unterschiede in den Wachstumsraten gemessen. Daraus wurde gefolgert, dass homöopathische Präparate mit Arsenicum album die vorherige „Vergiftung“ der Wasserlinsen gewissermaßen umkehren können. Mit diesen Erkenntnissen hat sich das Modell der Wasserlinsen als sinnvolles Werkzeug zur Erforschung homöopathischer Arzneien gezeigt.

In einer weiteren Arbeit wurden die Experimente wiederholt – mit ähnlichen Ergebnissen [Ücker 2022]. Darüber hinaus haben Ücker und Kollegen in einer großen Metaanalyse, in der auch die Wasserlinsenexperimente berücksichtigt wurden, rund 200 Forschungsarbeiten identifiziert, die mit pflanzenbasierten Testsystemen gearbeitet haben [Ücker 2018]. Daraus wurden 42 Studien ausgewählt, die den Kriterien hochwertiger Berichtsqualität entsprachen. Davon wiederum zeigten 40 Studien (95%) signifikante Ergebnisse im Sinne spezifischer Effekte homöopathischer Präparate.

Fazit

Anhand der aktuell bekannten Experimente zur Grundlagenforschung lässt sich der vermutete physikalische Faktor in Hochpotenzen bisher nicht sicher nachweisen. Zwar gibt es einzelne Arbeiten mit ausreichender methodischer Qualität (Demangeat, in Teilen auch Rey und van Wijk), die auf eine Besonderheit und Spezifität der Struktur einer homöopathischer Hochpotenzen hinweisen, es bleiben dabei aber sehr viele Fragen offen. Die grundsätzliche Frage, ob in Wasser Informationen in Form netzwerkartiger Strukturen gespeichert werden können – häufig auch als „Gedächtnis des Wassers“ bezeichnet –, ist in wissenschaftlichen Kreisen nicht abschließend beantwortet.

Die Zeitschrift Homeopathy hat 2007 eine Sonderausgabe mit einer Vielzahl an Artikeln zu diesem Thema herausgegeben, die zu unterschiedlichen Schlüssen kommen [Homeopathy 2007]. Als wichtiger Punkt ist dabei die Aussage im Übersichtsartikel zu dieser Fragestellung von Chaplin [Chaplin 2007] zu sehen: Obwohl er sich letztlich für die Möglichkeit eines Wassergedächtnisses ausspricht, weißt er darauf hin, dass diese Frage nicht damit verwechselt werden dürfe, ob die homöopathische Therapie wirksam sei oder nicht, denn dies sei eine klinische Fragestellung.

Dass durchaus nicht vermutete Überraschungen auftreten, zeigt auch die Arbeit von Chikramane et al., die eine stabile Konzentration der Ausgangssubstanz in Hochpotenzen nachweisen konnte und somit einen materiellen statt eines physikalischen Faktors wieder stärker in den Vordergrund bringt. Bis zu einer D18-Potenz waren schon Anfang des Jahrhunderts die Ausgangssubstanzen nachweisbar.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Forschungen des französischen Nobelpreisträgers und Entdeckers des HIV-Virus Luc Montagnier. Er hatte elektromagnetische Signale von bakterieller und viraler DNA bis zu einer Verdünnungsstufe von 10-18 nachweisen können [Montagnier 2009-1, Montagnier 2009-2].

Die bei Chikramane auch in C30 und C200 nachgewiesenen Konzentrationen bewegen sich in einem Bereich, bei dem Hormesis-Effekte durchaus vorstellbar sind. Bisher waren diese Überlegungen nur für niedrige und mittlere homöopathische Potenzen vorstellbar. Aber auch die Arbeit von Chikramane lässt Fragen offen: So wurden beispielsweise keine potenzierten Kontrolllösungen verwendet, und es bedarf einer unabhängigen Replikation, bevor weitere Schlüsse daraus gezogen werden können. Differenzierte Überlegungen zu Hormesis-Effekten von Nanopartikeln finden sich bei Iris Bell in ihrem „Nanoparticle-Cross-Adaption- Sensitization Modell“.

Untersuchungen zur Zellregulation und in jüngerer Zeit am Modell der Wasserlinsen bestätigen das Vorhandensein eines spezifischen Effekts homöopathischer, auch hochpotenzierter Präparate gegenüber Kontrollgruppen.

Gänzlich andere Wege gehen Autoren wie Walach [Walach 2003], Weingärtner [Weingärtner 2005] oder Milgrom [Milgrom 2003]. Basierend auf dem Modell der schwachen Quantenphysik [Atmanspacher 2002] entwickeln sie Theorien und mögliche Experimente zur Erklärung homöopathischer Wirkungsprinzipien.

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