Der letzte Auftritt für die Homöopathie: Dipl.-Stat. Rainer Lüdtke verlässt die Carstens-Stiftung

Am 10. Dezember 2011 war es soweit: Zum allerletzten Mal referierte Dipl.-Stat. Rainer Lüdtke zum Thema „Stand der Forschung zur Homöopathie“. Der Vortrag fand im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen des 10. Internationalen Symposiums Homöopathie in Klinik, Praxis und Forschung im vollbesetzten Hörsaal statt. Sein Überblick über die klinische Forschung überzeugte durch minutiöse Kenntnis der Studienlage samt detaillierter Analyse der zugrundeliegenden statistischen Methoden. Auch die Hintergründe der Studien und deren Diskussion in den Medien – hier sei stellvertretend die Lancet-Studie von 2005 genannt – wurden gründlich unter die Lupe genommen. Wie kein anderer hat Rainer Lüdtke die Fähigkeit, ein ausgewogenes und das Für und Wider abwägendes Bild der aktuellen Forschungslandschaft darzustellen.

Rainer Lüdtke hat 18 Jahre lang auf dem Gebiet der Komplementärmedizin und Homöopathie gearbeitet und war Berater zahlreicher Doktorandinnen und Doktoranden, Co-Autor und Autor unzähliger Studien. Außerdem war er Mitherausgeber der Zeitschriften Forschende Komplementärmedizin (FoKom) und Complementary Therapies in Medice. Allein in PubMed sind 132 Publikationen von ihm gelistet.

Wie kritisch er die Forschung zur Komplementärmedizin, zur Homöopathie und zum Placeboeffekt beurteilt hat, ist in zwei sehr aufschlussreichen Interviews nachzulesen:

In seinem letzten Editorial für die Forschende Komplementärmedizin vom April 2011 stellte er die Frage: „Homöopathische Arznei, homöopathische Anamnese, Empathie oder gar kein Effekt?„. Diese Frage könnte man als exemplarisch über seine Einstellung zur Forschung stellen: Es ist die Aufgabe und Pflicht des Wissenschaftlers, stets den aktuellen Stand der Forschung kritisch zu hinterfragen und immer wieder einen Schritt weiterzudenken. Dabei werden neue Forschungsergebnisse integriert und, wenn notwendig, althergebrachte Ansichten und Meinungen verworfen.

Seit 2000 war Rainer Lüdtke als fester Mitarbeiter der Karl und Veronica Carstens-Stiftung tätig, die ihm einen Abschiedsgruß auf der stiftungseigenen Homepage widmet: „Der Mann der Zahlen verlässt die Carstens-Stiftung„. Ab 2012 wird Rainer Lüdtke beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 50 Stiftungen aus den Forschungsbereichen Physik, Technik und Medizin betreuen.

Auch Prof. Harald Walach widmet ihm ein ausführliches „Grußwort zum Abschied“ und schreibt darin zum bevorstehenden Jobwechsel:

„Für das Feld ist das ein Verlust, ein herber sogar, für Rainer Lüdtke ist es ein Gewinn, den ihm alle gönnen, die ihn kennen. Der Stifterverband hat sich einen klugen Kopf geangelt, die komplementärmedizinische Szene einen engagierten Mann verloren. Rainer Lüdtke wird nicht leicht zu ersetzen sein und im Moment ist niemand in Sicht, der diese Rolle ausfüllen kann. Weltweit gibt es nur eine Handvoll von Statistikern, die gut genug ausgebildet sind, um die komplexen Forschungsfragen angemessen betreuen zu können und die gleichzeitig ein Interesse an den Themen haben und die obendrein noch meinungsresistent genug sind, um die immer noch weitverbreitete Skepsis gegenüber diesem Gebiet nicht allzu ernst zu nehmen.“

Tatsächlich ist kein Ersatz in Sicht, das Referat für Biometrie und Wissenschaftstransfer der Carstens-Stiftung wird vorläufig nicht nachbesetzt. Ein herber Verlust für die Homöopathieforschung!

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