Homöopathie – ein Stiefkind des Wissenschaftsjournalismus

„Ein Ritterschlag für Quacksalber?“ betitelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Artikel zur Homöopathie auf der ersten Seite des Wissenschaftsteils der Ausgabe vom 8.1.2014 (online unter www.faz.net).

Darin steht die Homöopathie wieder einmal – wie in unzähligen weiteren Beiträgen der deutschsprachigen Tages- und Wochenpresse der letzten Jahre – am Pranger der Medizinjournalisten. Zitiert wird zunächst der Leiter der Frauenklinik Zürich, der die Homöopathie in seiner Klinik ablehne, denn schließlich gebe es „für die Wirksamkeit der Homöopathie keine wissenschaftliche Evidenz“. Ein bekanntes Pauschal-Argument, welches den Patientinnen aber egal zu sein scheint: Laut einer Umfrage setzen 93,4% aller deutschen Geburtskliniken homöopathische Arzneien ein.

Dagegengehalten werden die Ergebnisse einer aktuellen Veranstaltung im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München, auf welcher die Langzeitergebnisse der homöopathischen Therapie bei ADHS vorgestellt wurden – mit positiven Ergebnissen zugunsten der Homöopathie.

Auf diesen beiden Standpunkten basierend sieht die Autorin des F.A.Z.-Artikels eine Paradoxie: Einerseits die „kategorische Ablehnung jedweder wissenschaftlichen Evidenz“, andererseits „Belege für eine Wirksamkeit aus klinischer Forschung“. Positive Ergebnisse zugunsten der Homöopathie würden aber nur dadurch entstehen, dass die Werkzeuge der Evidenzbasierten Medizin (Stichwort: placebokontrolliert-doppelblind) unzulänglich seien – so der Tenor der Artikels.

Über all das lässt sich natürlich diskutieren. Zwei Punkte sind in der aktuellen Berichterstattung aber wieder und wieder ärgerlich:

1. Die reißerischen Überschriften – hier: „Ritterschlag für Quacksalber?“. Damit werden alle Anwender homöopathischer Arzneien von Vornherein als „Quacksalber“ diffamiert – eine unsägliche Unterstellung. Arbeiten die vielen Tausend homöopathischen Ärzte und Heilpraktiker in Deutschland wirklich mit der Überzeugung, unwirksame Medikamente zu verschreiben, nur um damit viel Geld zu machen? Hier wird eine ganze Berufsgruppe pauschal verleumdet.

2. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte zur Grundlagenforschung und klinischen Forschung in der Homöopathie (vgl. dazu die Beiträge in diesem Blog, die Datenbanken der Carstens-Stiftung etc.) werden weiterhin hartnäckig auch vom Wissenschaftsjournalismus ignoriert – über die Gründe lässt sich spekulieren. Harald Walach hat bereits eine plausible Erklärung geliefert:

Die Komplementärmedizin hat sich in der Praxis bewährt und in der Wissenschaft so manche, wenn auch nicht alle, Belege ihrer Wirksamkeit geliefert. Sie dringt auf leisen Sohlen immer weiter in die Wohnzimmer der medizinischen Versorgungsmacht. Sie bedroht dabei den friedlichen Kaffeekranz derer, die den fetten Versorgungskuchen bislang ungestört unter sich aufteilen konnten. Dies löst Affekte aus, nicht immer die freundlichsten. Das muss niemanden wundern. Niemand sollte aber in der naiven Illusion gelassen werden, dass der Ruf der Skeptikerbewegung nach Abschaffung, Eindämmung oder Ächtung komplementärmedizinischer Verfahren nur eine verirrte Meinung weniger Wirrkopfe sei. Sie mag eine Minderheitenmeinung sein, aber sie verbündet sich strukturell mit der Macht der Schule, vorgebend, es sei die Macht der Vernunft. Zudem verbündet sie sich publizistisch mit einer vorgeblich kritischen Presse die aber, wenn man genauer hinsieht, reaktionäre Denkmodelle bedient und absichtlich oder unabsichtlich Machtstrukturen derer zementiert, die am liebsten alles beim Alten lassen würden.“ (Forsch Komplementmed 2012;19:176–178)

 Leider hat sich nun auch noch die sonst hochseriöse F.A.Z. auf dieses Niveau begeben.

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