Was ist Homöopathie?

Was ist Homöopathie?

Definition

Homöopathie ist eine Heilmethode mit Arzneien, die nach Prüfung ihrer Wirkung am Gesunden aufgrund der individuellen Krankheitszeichen des Patienten auf der Basis des Ähnlichkeitsprinzips als Einzelmittel zur Heilung und Linderung von Krankheiten angewendet werden.

[Teut M, Dahler J, Lucae C, Koch U: Kursbuch Homöopathie. 2. Auflage. München: Elsevier 2016]

Die Homöopathie ist ein eigenständiges Therapiesystem mit einer eigenen Lehre über Entstehung, Verlauf und Behandlung von Krankheiten. Es gibt vier Grundprinzipien, die konstitutiv für die Homöopathie sind:

  1. Homöopathische Arzneimittelprüfung
  2. Einzelmittel
  3. Ähnlichkeitsregel
  4. Verwendung kleinster Arzneigaben

Dabei nehmen gesunde Versuchspersonen eine Substanz in mehr oder weniger großen Dosen ein und beobachten, wie ihr Organismus darauf reagiert. Alle körperlichen, seelischen und geistigen Veränderungen werden genau dokumentiert. Diese Symptome werden gesammelt und aufgezeichnet.

Der homöopathische Arzneischatz enthält im Wesentlichen

  • Pflanzen (z.B. Belladonna, Chamomilla, Pulsatilla)
  • Mineralien und Metalle (z.B. Kalium carbonicum, Phosphorus, Sulfur)
  • Tiere und Tierstoffe (z.B. Ambra, Apis, Sepia)
  • Nosoden (Arzneien, die aus Krankheitsprodukten hergestellt werden, z.B. Carcinosinum, Medorrhinum, Tuberculinum).

Alle Substanzen sollten an Gesunden geprüft worden sein, bevor sie zum Einsatz gelangen.

In der Homöopathie wird immer nur eine einzige Arzneisubstanz auf einmal verabreicht. Es entspricht nicht den Regeln der Homöopathie, ein Gemisch aus mehreren Substanzen zu rezeptieren. Die Einzelmittelgabe ist das herausstechende Charakteristikum der Homöopathie.

Es soll dasjenige Mittel verabreicht werden, das in der Arzneimittelprüfung an Gesunden die ähnlichsten Beschwerden hervorgerufen hat. Ein Patient, der beispielsweise unter hämmernden Schmerzen in der rechten Stirn leidet, die bei leichter Berührung der Haare zu- und bei festem Druck auf die Stirn abnehmen, erhält ein Mittel, das möglichst ähnliche Beschwerden während der Arzneimittelprüfung hervorgerufen hat.

Similia similibus curentur –
Ähnliches soll mit Ähnlichem behandelt werden

Diese Handlungsanweisung ist die entscheidende therapeutische Regel der Homöopathie. Der Terminus „Homöopathie“ leitet sich direkt daraus ab: homoi– = ähnlich und pathos = Leiden.

Die Wahl des richtigen Mittels hängt von der individuellen Symptomatik des Patienten ab. Die Diagnose der Krankheit spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Um die individuelle Symptomatik in ihrer ganzen Spannweite zu erfassen, ist eine ausführliche Anamnese erforderlich. Eine vollständige homöopathische Anamnese inklusive körperlicher Untersuchung und Beratung ist zeitaufwendig und dauert in der Regel 45-60 Minuten (Kinder) bzw. 60-90 Minuten (Erwachsene).

Die Arzneien werden in so geringer Dosis wie eben nötig verabreicht. Das im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) geregelte Herstellungsverfahren besteht aus einer stufenweisen Verdünnung mit zwischenzeitlicher mechanischer Bearbeitung (Verreiben und Verschütteln).

Homöopathen bezeichnen die fertigen Arzneien als Potenzen, da sie seit über zweihundert Jahren die Erfahrung gemacht haben, dass diese Arzneien im menschlichen Organismus eine Wirkung entfalten, obwohl sie ab einem bestimmten Verdünnungsgrad (C12 bzw. D24) nur noch zufällig Moleküle der Ausgangssubstanz enthalten. Man erhält homöopathische Arzneien heute in Form von Globuli, Tropfen, Tabletten, Pulver und Ampullen. Am weitesten verbreitet sind die charakteristischen Kügelchen = Globuli (nicht: Globulis).

Es gibt drei wichtige Potenzarten:

C-Potenzen C = centesimal Verhältnis 1:100
D-Potenzen D = dezimal Verhältnis 1:10
Q- / LM-Potenzen Q = quinquagiesmillesimal Verhältnis 1:50.000


Hochpotenzen
(z.B. C200 oder höher) werden bei chronischen Erkrankungen üblicherweise in seltenen Abständen verordnet, d.h. eine einzige Dosis wirkt über einen Zeitraum von 3-6 Wochen.

Q- und LM-Potenzen werden meist täglich über einen Zeitraum von mehreren Wochen eingenommen.

Tiefe Potenzen (z.B. D6/C6, D12/C12) werden eher bei akuten Erkrankungen eingesetzt und können ein oder mehrmals täglich genommen werden.

Die Einnahme sollte immer unabhängig von den Mahlzeiten oder vom Zähneputzen erfolgen (Abstand möglichst 15-Minuten). Globuli sollen im Mund zergehen und nicht runtergeschluckt werden. Üblicherweise werden 3 Globuli auf einmal eingenommen (= 1 Gabe).

Die Homöopathie eignet sich zur Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen von Kindern und Erwachsenen. Beispiele, bei denen die Homöopathie alleine oder ergänzend zu anderen Therapieverfahren erfolgreich eingesetzt werden kann:

  • Kopfschmerzen, Migräne
  • Ängste, Angsterkrankungen
  • nervöse Tics, ADHS
  • Verhaltensstörungen
  • Schlafstörungen
  • Schwindel
  • Depressionen
  • Allergien
  • Heuschnupfen
  • Neurodermitis
  • Asthma bronchiale
  • Infektionsanfälligkeit
  • Adenoide, „Polypen“, Paukenerguss
  • chronisch entzündliche Darmerkrankungen
  • chronische Rückenschmerzen
  • Arthritis
  • u.v.m.

Das wichtigste Instrument des homöopathischen Arztes bei Diagnostik und Therapie ist das Erfassen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Krankheitserfahrungen in Form der homöopathischen Anamnese. Hierbei steht das Gespräch zwischen Therapeut und Arzt im Mittelpunkt. Die „Sprechende Medizin“ (narrative-based medicine) ist die Basis der Analyse des kranken Patienten, der Arzneimittelprüfung und der klinischen Verifikation sowie der schriftlichen Dokumentation.

Die homöopathische Therapie setzt ein individuelles Verständnis des Patienten und seiner Krankheitsgeschichte voraus. Dies ermöglicht den Aufbau einer intensiven therapeutischen Beziehung zwischen Therapeut und Patient.

Bei akuten Erkrankungen (z.B. akute Erkältungskrankheiten, Husten, Schnupfen, Durchfall, Erbrechen usw.) sind eine kurze Anamnese und eine körperliche Untersuchung erforderlich. Ganz wichtig sind folgende Angaben: Aktuelle Beschwerden mit Modalitäten (welche Umstände bessern oder verschlimmern die Beschwerden?), Auslöser der Erkrankung (z.B. Zugluft, Durchnässung), Allgemeinsymptome (z.B. Schwitzen, Appetit) und Begleitbeschwerden.

Eine erfolgreiche homöopathische Behandlung steht und fällt mit der genauen Selbstbeobachtung und Beschreibung der Symptome. Dabei ist es oft hilfreich, sich Notizen zu machen oder einen Fragebogen zu verwenden (z.B. bei Heuschnupfen).

In der Homöopathie wird nicht nach Diagnosen behandelt, sondern nach dem individuellen Krankheitsbild: So gibt es nicht „das“ Mittel „gegen“ Kopfschmerzen, sondern es muss immer ein gemäß der Ähnlichkeitsregel ausgewähltes Mittel aus einem großen Pool von in Frage kommenden Arzneimitteln ausgewählt werden, das möglichst exakt zu den Beschwerden des Patienten passt.

Die physiologische Basis der Ähnlichkeitsregel liegt in der Anpassungs- und Regulationsfähigkeit des lebenden Organismus. Erkrankt ein Mensch, therapiert man ihn mit einer Arznei, die bei der Prüfung am Gesunden ein möglichst ähnliches pathogenetisches Potential entfaltet. Der Organismus des Kranken wird auf den Arzneireiz mit regulativen Prozessen reagieren und im Idealfall eine Genesung hervorbringen.

Die Homöopathie vertraut dabei den Selbstheilungskräften des Organismus. Was vor 200 Jahren mit dem Begriff „Lebenskraft“ umschrieben wurde, stellt bis heute eines der größten Rätsel der Medizin dar. Wie gelingt es Organismen, sich von schweren Krankheiten zielgerichtet zu heilen, wie organisieren sich Selbstheilungsprozesse und wie können Therapeuten diese Kräfte anregen, steuern und nutzen?

Die methodische Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips zur Induktion von Heilungsprozessen macht die Homöopathie darüber hinaus zu einer nachvollziehbaren, praktischen Wissenschaft. Resultate ihrer 200-jährigen Geschichte sind ein ständig wachsender Schatz systematischer Arzneimittelprüfungen, Kasuistiken, Studien, Arzneimittelbeschreibungen, Repertorien, pharmazeutischer Anleitungen sowie Ergebnisse der Grundlagenforschung. Auch wenn für die Hochpotenzen der Wirkmechanismus bis heute nicht geklärt ist, zeigt die moderne Versorgungsforschung klar das Potential für die Praxis.

Die Grundprinzipien der Homöopathie gelten unverändert seit über 200 Jahren. Sie wurden erstmals von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) formuliert und zu einem Heilsystem zusammengefasst. Hahnemann selbst und viele seiner Nachfolger haben im Lauf der Jahrzehnte weitere, allerdings weniger bedeutende Prinzipien hinzugefügt, so dass es heute verschiedene Strömungen innerhalb der Homöopathie gibt. Das eigentliche Fundament wurde dabei jedoch nicht angetastet.

Eine Heilmethode, die sich seit zwei Jahrhunderten in ihren Grundprinzipien nicht gewandelt hat – das klingt alles andere als modern. Dennoch ist die Homöopathie ein Verfahren, dass sich sehr gut in die gegenwärtige Medizin integrieren lässt, denn sie enthält viele Aspekte, die auch in der konventionellen Medizin von heute diskutiert werden.

In der Homöopathie geht es z.B. darum, spezifische Therapieansätze für individuell erkrankte Menschen zu suchen, nicht aber schematische Lösungen für bestimmte Diagnosen. Im Zentrum der Behandlung steht die Anregung von Selbstheilungsprozessen durch homöopathische Arzneien. Flankiert wird die medikamentöse Therapie durch diätetische Maßnahmen mit Bezug auf Lebensstil und Ernährung.

Homöopathie vertraut auf die Heilungspotentiale des Organismus, induziert diese durch sanfte und spezifische Reize und basiert auf „Sprechender Medizin“. Sie pflegt einen kritischen Umgang mit nebenwirkungsreichen konventionellen Interventionen und ermutigt den Patienten dazu, auf die ihm innewohnenden Heilkräfte zu vertrauen. Somit ist die Homöopathie in der heutigen modernen Medizin eine ideale komplementäre Therapiestrategie in der medizinischen Basisversorgung.